Diese 4 Prinzipien sollten sie beim Storytelling beachten
Katrin Kolossa versucht Marken und Medien dazu zu bewegen, mehr aus ihren Daten zu machen. Nicht unbedingt im Targeting, aber vor allem im Storytelling. Noch viel zu oft hängen Marketer einem überkommenen werblichen Ideal nach, das von den Nutzern und Kunden längst und vielleicht schon immer durchschaut wird, meint die Inhaberin der Sapera Studios in ihrem Gastbeitrag.
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„Qualität ist das beste Rezept“ (Dr. Oetker). Die längste Zeit war der Claim der melodische Begleiter der Werbepause. „Da weiß man, was man hat“ (Persil). Nett, aber flach. Der Ohrwurm für den Fernsehalltag - mehr Phrase als Information, wie auch „Die Freiheit nehm’ ich mir“ (Visa). Doch die sorglosen Zeiten sind vorbei, nicht nur in der Werbebranche. Hier und heute sind in Claims gepresste Plattitüden einfach zu wenig. Eine komplexer gewordene (Kommunikations-)Welt braucht Geschichten, die auch hinter der Fassade glänzen.
Nachhaltigkeit, Vielfalt, Inklusion … „Jede Woche eine neue Welt“ (Tchibo). Gefühlt jedes Unternehmen, das sich für modern hält – oder dafür gehalten werden möchte – richtet seine Strategie seit einigen Jahren auf ein besonders achtsames, sensibles und weltoffenes Image aus. Aber: „Image is nothing“ (Sprite), wenn nichts dahinter steckt. Denn wer behauptet, sollte auch beweisen können. Immerhin steht viel auf dem Spiel: Das Vertrauen der Verbraucher:innen. Es aufzubauen bedarf mehr als hohle bis gelogene Bullshit-Plattitüden, sondern glaubwürdiges Engagement und Storytelling, das auf klaren Fakten basiert.
Grün, Pink, Lila – alles waschbar bei 360 Grad!
Wenig glaubwürdiger Aktionismus, der mehr visuellen Trends als dem Willen zu echter Veränderung folgt, hat es zurecht immer schwerer: Eine nachhaltige Jeans vom Klamotten-Discounter Primark, der reich und berühmt wurde, weil er alles andere als fair produzierte T-Shirts für drei Euro verscherbelt? Ein Fußballstadion, das nicht in Regenbogenfarben leuchten darf, aber für einen Social Media-Post kann das politische Symbol gerne herhalten? Ein Hilfsangebot gegen sexualisierte Gewalt der Firma FemaleCompany, das nur in Anspruch nehmen kann, wer zunächst eine teure Panty mit eingenähtem QR-Code kauft?
So mancher Werbetreibende hat immer noch nicht verstanden, dass er im Dialog steht mit einem kritischen und meinungsstarken Publikum. Dass Kund*innen Green-, Pink-, und Purplewashing erkennen und sich daraufhin radikal abwenden. Und dass mit jedem vorhersehbaren Fehltritt das Vertrauen in die Marke schwindet. Umgekehrt hingegen gilt: Je mehr Vertrauen eine Marke genießt, desto einfacher hat es das Produkt in der Risikobewertung durch die Kund*in.
Gutes Storytelling basiert auf mehr als Fakten
Flache Kommunikation und hohle Versprechen schaffen keine langfristigen Beziehungen. Valide und relevante Informationen hingegen schon. Deshalb ist faktenbasiertes Storytelling so sinnvoll wie einfach.
Es besteht auf vier Grundprinzipien.
Erstens: Halte es einfach. Klare Narrative, Argumentationen und Visualisierungen erzählen verständliche und nachvollziehbare Geschichten, bei denen das Publikum nicht den Faden verliert. Je komplexer die Inhalte werden, desto gefragter sind einfache und kreative Erzählweisen – für interne genauso wie für externe Zielgruppen.
Zweitens: Sei informativ. Im Zeitalter alternativer Fakten sind wahrheitsgetreue und belastbare Informationen relevanter denn je. Wer heute seriöses Wissen vermittelt, darf ruhigen Gewissens einen wichtigen USP für sich beanspruchen. Zusätzlich zahlt faktenbasiertes Storytelling immer häufiger wirksam auf die KPIs ein.
Drittens: Denke und handele ganzheitlich. Fakten lassen sich nicht nur in der grauen Bleiwüste erzählen – im Gegenteil. Holistisches Storytelling zieht sich vom Konzept und der redaktionellen Arbeit durch Layout und Design bis hin zur Datenvisualisierung. Es mündet in Produkten, die Sinn machen und Sinn stiften.
Und viertens: Beeindrucke nachhaltig. Faktenbasiert erzählen ist das eine. Dabei mitreißen und sowohl auf kognitiver als auch auf emotionaler Ebene wirken, das andere. Menschen behalten im Kopf, was ihr Herz berührt. Deshalb verankert gutes faktenbasiertes Storytelling Informationen durch Emotionen.
Fakten UND Emotionen – geht das überhaupt zusammen?
Wie gut das zusammen geht, zeigt etwa die Kampagne #ShowUsEqual des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), die unter anderem auf die ungleiche Bildschirmzeit und damit verbundene finanzielle Benachteiligung von männlichen und weiblichen Sportler*innen aufmerksam macht.
Anlässlich der Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokyo, bei denen erstmals gleich viele Athletinnen wie Athleten teilnahmen, startete der DOSB gemeinsam mit deutschen Olympionik*innen die Initiative #ShowUsEqual. In einem offenen Brief an alle relevanten deutschen Medienanstalten forderten sie „(…) eine ausgewogene und gleichwertige Sportberichterstattung – ohne stereotype und diskriminierende Darstellungen von Sportlerinnen in Wort und Bild.“
Gleichzeitig startete eine Social Media-Kampagne, die mittels einer einfachen, aber einprägsamen Mechanik auf die erwähnten Missstände hinweist. Der Key Fact, dass 90 Prozent der Sportberichterstattung über männliche Athleten und nur zehn Prozent auf Frauen entfallen, wurde mittels zwei verschiedenfarbiger Socken visualisiert, die an die Sportler*innen verteilt wurden. Eine hochgezogene weiße Socke repräsentiert die 90 Prozent, eine tiefsitzende gelbe die zehn Prozent Berichterstattung über Männer bzw. Frauen.
Die Athlet*innen teilten den Look und damit den Fakt der extrem unausgewogenen Sportberichterstattung – und dem damit verbundenen finanziellen Ungleichgewicht – über ihre Social Media-Kanäle. Insgesamt erlangte die Low Budget-Kampagne eine überproportionale Reichweite und unterstützte das Empowerment der Athletinnen.
Faktenbasiertes Storytelling und Journalismus
Gesellschaftspolitische Themen sind oft sensibel, deshalb gilt das Gebot der Faktentreue für sie besonders. Umgekehrt ist dies kein Ausschlusskriterium für packendes Storytelling. Zum Beispiel, wenn drei Investigativ-Journalist*innen per GPS-Sender die Spur alter Elektrogeräte vom Schrotthändler in Hamburg bis nach Ghana verfolgen – und die Leser*innen mit auf die Reise gehen.
Let’s face it
In der Kommunikation halten hohle Phrasen den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht mehr Stand. Was es stattessen braucht, sind transparente Informationen, vermittelt auf Augenhöhe. Nicht nur in der Werbung hat sich emotionalisiertes Storytelling längst bewährt, wenn Botschaften nachhaltig verankert werden sollen. In Kombination mit belastbaren Informationen vermittelt faktenbasiertes Storytelling Sicherheit. Daraus kann langfristiges Vertrauen entstehen. Und die Grundlage für eine harte Währung: Markenbindung.